Dienstach Nacht klingelt’s an der Tür. Ich denk’ mir nix, mach auch nich’ auf. Könnt’ ja jeder. Außerdem ham die Jungs aus der WG gesacht: »Witte«, hamse gesacht, »lass niemand rein, wenn wir nicht da sind!«
Klingelt’s wieder. Ich so: »Och nö!« Klingelt Sturm. Also gut. Ich steh auf, pack die Füße inne Latschen, schlurf zur Tür, öffne. Niemand draußen. Denk ich: »Was’n das jetzt?« Blök ich in die leere Gasse: »Was’n das jetzt? Erst Sturm klingeln, kost’ ja nix, und dann abhauen?« Es bleibt stille. Nur bei Heinrichs gegenüber geht das Licht an. Linst bestimmt wieder durch den Türspion, der Sack. Ich wieder rein, Tür zu, rauf aufs Sofa, Füße aus den Latschen. Es klingelt. Ich so: »Och nö, nicht zweimal!« Es klingelt weiter. Ich also wieder rein in die Latschen und zack – wieselflink zu Tür, reiß die auf und schrei: »Ha!« Steht draußen so ein Hutzelweiblein, sieht aus wie Pflaume im Speckmantel, nur ohne Speckmantel. Dafür mit ’ne Pluderhose bis unner die Achseln. »Hallo, meine Schöne!«, fängt’se auch gleich an zu zärteln. »Ist denn der Herr des Hauses anwesend?«
Ich so: »Ne. Erstens sind das sieben Herren und das ist eine WG, da ist jeder mal der Herr.«
»Fein, fein!«, sagt die Olle und guckt sich um. Bei Heinrichs gegenüber wackelt die Gardine. »Ich hätte hier schöne Kämme! Aus Ebenholz geschnitzt, genauso schwarz wie dein Haar!« Die Olle fuchtelt mit ’nem Kamm vor meinem Gesicht.
»Vergiss es!«, pamp ich zurück. »Guckste kein RTL? War neulich so ein Fall: KO-Tropfen im Kamm! Piekt wie Pfeilspitze und schon gibt’s ’nen Nackich-Film von dir auf YouTube. Ne, ne! Kein Bedarf!«
»Wie wäre es dann«, die Olle kramt mit ihren wabbeligen Ärmchen in ihrem Rucksack, »mit etwas Sonnencreme? Damit die Haut auch weiß wie Schnee bleibt und vom Sonnenbaden kein Brandmal bekommt?«
»BILD-Zeitung nicht gelesen? In Übersiebenbergen hamse Chlorsulfat inne Sonnencreme gefunden. Hat den Leuten die Haut weggeätzt! Ne, ne, ne, nicht mit mir!«
»Du machst es einem aber nicht leicht, Kindchen! Hier, ich schenke dir diesen Apfel! Und damit du siehst, dass da nichts dran ist, esse ich eine Hälfte und du die andere!« Die Olle schwänzelt um mich herum. »Ist der nicht schön? Fast so blutrot wie deine Lippen!«
Bei Heinrichs geht das Gartenlicht an. Ich glotz auf den Apfel, denk mir, vegan ist im Trend und beiß herzhaft rein. Hör noch die Olle lachen. Dann geht das Licht aus.
Als es wieder angeht, lieg ich inne Art Frischhaltebox. Außenrum die sieben WG-Brüder am heulen wie die Schlosshunde und der Heinrich von gegenüber. Hat ein Stück Apfel in der Hand. »Seht ihr«, ruft er, »steckte bloß im Hals!«